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Blumen, Glanz und Gedanken gegen das Vergessen zum Gedenktag an die Opfer der NS-Zeit

Zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz putzen WiN und Freunde die Stolpersteine in Nippes und im Agnesviertel


Wir knien mit Putzlappen auf dem Bürgersteig, als ein älterer Mann stehen bleibt und fragt, welches Reinigungsmittel wir benutzen. „Essig und Salz? Das funktioniert?“ Dann schaut er auf den Messingstein, und schickt uns ein wohlgesinntes Lächeln und geht weiter.

Viele Nippesser sind dem Aufruf von Willkommen in Nippes gefolgt, am Sonntag vor dem 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz die Stolpersteine im Viertel zu reinigen. Und damit den Menschen und ihren erschütternden Schicksalen zu gedenken, die hier vor ihrer Deportation, Flucht oder Selbsttötung lebten.



Unser Treffpunkt ist der Wilhelmsplatz und wir sind erfreut über so viele neue Gesichter. An insgesamt 44 Standorten wollen wir in Nippes und auch im Agnesviertel die Steine wieder zum Glänzen bringen. Und uns ein wenig mit den Menschen beschäftigen, an die die Steine erinnern. Aus Nippes sind 100 Juden bekannt, die deportiert wurden. Wir beginnen am sogenannten „Judenhaus“ an der Wilhelmstraße 55. Hier liegen 15 Steine. Bevor sie in Vernichtungslager kamen, waren hier alle Angehörigen der Familie Seligmann untergebracht. Die Verschickung der jüdischen Familien wurde direkt von Nippes aus organisiert. Im heutigen Wohngebiet zwischen Werkstattstraße, Kempener Straße und Bahntrasse gab es eine Rampe, wo die jüdischen Familien auf den Zug warten mussten, der sie zu den Vernichtungslagern im Osten brachte.


An den Stolpersteinen lesen wir die Lebensläufe der Menschen vor, die in diesen Häusern ihre letzte frei gewählte Wohnung bewohnten. Wenn die Steine wieder strahlen, legen wir Rosen, Iris und Tulpen nieder. Einige binden weiße Bändchen dran und schreiben etwas dazu. Wo es möglich ist, stellen wir kleine Vasen auf. Nebenbei tauschen wir auch private Geschichten aus und lernen uns kennen.

Ein Mitstreiter kennt den Kölner Künstler Gunter Demnig, der die Stolpersteine 1992 erfunden hat, sogar persönlich. Den Zustand der Steine befinden wir als sehr unterschiedlich. Während einige gepflegt wirken, brauchen wir zum Beispiel auf der Nikolaus-Groß-Straße länger, um den recht vernachlässigten Stein des straßennamengebenden Widerstandskämpfers zu finden. Nun ist er wieder sichtbar. Um die drei Gedenksteine vor dem Haus Nr. 204 auf der Neusser Straße reinigen zu können, müssen wir die McDonalds-Tische erstmal zur Seite schieben.


Auf der Riehler Straße 23 stoßen wir auf eine gelungene Initiative: Hier lebte die bekannte Lyrikerin Hilde Domin mit ihren Angehörigen, bevor sie zur Flucht getrieben wurden. Im Jahr 2017 setzte sich die Psychoanalytische Arbeitsgemeinschaft Köln-Düsseldorf e.V., die nun in diesem Haus ansässig ist, für die Verlegung von vier Stolpersteinen ein, die auf die Geschichte der Familie aufmerksam machen sollen.


Um die Ecke auf Weißenburgstraße und Blumenthalstraße treffen wir auf die Schicksale von Leo Nadolny und Ilse Herz, die sich das Leben nahmen, bevor sie deportiert werden konnten.


Unsere fast dreistündigen Tour endet gleich neben unserem WiNHaus, an drei Steinen vor der Dormagener Straße 1. Von dort aus geht’s mit einem großen Teil der Gruppe ins Café International. Beim gemeinsamen Kaffee tauschen wir Eindrücke und Erfahrungen aus und singen Fryad, der heute Geburtstag hat und hinter der Theke hilft, ein Ständchen. Und zwar auf Deutsch, Englisch und Arabisch. Wir machen eine Tour durchs WiNHaus - und am Schluss hat sich sogar ein neues deutsch-arabisches Sprachtandem ergeben.

Bestimmt schauen wir im Laufe des Jahres an dem ein oder anderen Messingstein vorbei, der sich uns besonders eingeprägt hat. Die drei auf der Dormagener Straße werden wir in Zukunft jedenfalls regelmäßig pflegen.

Neben der Erinnerung an all diese Menschen, die einmal in unserer Nachbarschaft gelebt haben, hat dieser gemeinsame Nachmittag noch etwas auf den Weg gebracht: Menschen haben Zeit miteinander verbracht, die sich vorher nicht kannten.

Danke an all die tollen Menschen, die dabei waren!

KK


Herzlichen Dank an Zweigstelle Lily Deluxe für die Blumenspende (https://www.lilydeluxe.de)!

Infos über Gunter Demning: http://www.stolpersteine.eu

Infos über verschleppte jüdische Bewohner in Nippes: http://archiv-koeln-nippes.de, Archiv für Stadtteilgeschichte Köln-Nippes, Mauenheimer Straße 92

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